Katja Baumeister-Frenzel (Hg.), Christiane Barz, Michael Bienert, Carsten Knobloch, Arne Krasting, Roland Pohl, Jan Schneider
Im Romanischen Café war die geistige Elite der Weimarer Republik zu Hause. Journalisten, Schriftsteller, Maler, Verleger, Prominente aus der Theater- und Filmbranche trafen sich hier täglich an ihren Stammtischen. Max Liebermann, Alfred Döblin, Bertolt Brecht, Else Lasker-Schüler, Billy Wilder, George Grosz, Valeska Gert, Max Reinhardt, Alfred Flechtheim, Kurt Tucholsky, Friedrich Hollaender, Max Schmeling, Egon Erwin Kisch, Erich Kästner, Irmgard Keun, Jeanne Mammen, Mascha Kaléko und viele andere besuchten das Romanische Café. Es lockte auch internationale Gäste wie Ilja Ehrenburg, Elias Canetti, Luigi Pirandello, Antonin Artaud und Samuel Beckett. Unter die Prominenten mischten sich Angestellte, Touristen, Schaulustige, Zeitungsleser und Schachspieler, die „Tauentzien-Girls“ waren hier auf Männerfang. Bis 1933 zählte das Romanische Café zu den größten Sehenswürdigkeiten des modernen Berlin. Danach erhielten viele seiner Gäste Berufsverbot, wurden politisch verfolgt, gingen ins Exil, suchten den Freitod oder wurden ermordet. Das Romanische Café ist ein Mythos und zugleich eine Leerstelle in der Erinnerungskultur Berlins. Eine Ausstellung am Original-schauplatz, im Europa Center an der Gedächtniskirche, schließt diese Lücke. Das Ausstellungsteam hat viele neue Fakten, Dokumente, Geschichten und Bilder zusammengetragen, die sich nun erstmals im Buch wiederfinden. Unbekannte Feuilletons über das Romanische Café, eine Chronik und eine rund 500 Namen umfassende Gästeliste ergänzen die opulente Präsentation des Lebens im flirrenden Neuen Berliner Westen der 1920er Jahre.Zur Website der gleichnamigen Ausstellung geht es HIER LANG.
Den Austausch zwischen Menschen aus Brandenburg und Berlin mit Kulturgenuss zu verbinden – diesem Ziel hat sich die Initiative „Nachbarn bei Nachbarn“, eine Kulturmarke der Stiftung Zukunft Berlin, verpflichtet. Seit 2013 organisiert sie Lesungen mit musikalischem Rahmen an wechselnden Orten. Die Initiative will helfen, die Zusammenarbeit der Bundesländer Berlin und Brandenburg zu verbessern, ein Netzwerk der Gemeinden zu flechten und die Metropolregion mit kreativer Kraft aufzuladen. Die vielfältigen Begegnungen sind nun zum Buch geworden, das die Reichweite und den Wert dieses Beisammenseins festhält. Autorinnen und Autoren aus Berlin und Brandenburg schildern ihre Eindrücke der Landpartien der Jahre 2017 bis 2023. Illustriert mit stimmungsvollen Fotos, ist ein Kaleidoskop entstanden, das Brandenburger Dorfkirchen, Schlösser, Industriedenkmale, Klöster und Kunstquartiere zeigt und zugleich neugierig machen soll auf Orte jenseits der bekannten Ausflugsziele.Herausgegeben von der Stiftung Zukunft Berlin Konzeption und Redaktion: Hubertus Fischer und Nina Lütjens
Das mietbare Museum im Berliner UNESCO-Welterbe Hufeisensiedlung – Die Geschichte der Restaurierung + 60 Möbel und Ausstattungsstücke und ihre Geschichte(n)
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Berlin einer der am schnellsten wachsenden Ballungsräume der Welt und platzte aus allen Nähten. Um die Wohnungsnot zu lindern, wurden in den 1920er-Jahren in Berlin wegweisende Quartiere im Stil des Neuen Bauens errichtet. Sechs dieser aufgelockert geplanten, von einer sozialen Idee getragenen Ensembles wurden 2008 zum UNESCO-Welterbe erklärt, darunter die Hufeisensiedlung in Neukölln-Britz. Die fast 2 000 Wohneinheiten umfassende Anlage gilt als Meilenstein des sozialen Wohnungsbaus. Zentrale Figur dieses Bauwunders war der Architekt Bruno Taut, der auch genaue Vorstellungen für eine zeitgemäße Gestaltung von Innenräumen hatte. Diesem Architekten ist das komplett im Stil der 1920er-Jahre gestaltete Ferienhaus „Tautes Heim“ in der Hufeisensiedlung gewidmet. Denkmal- und Geschichtsfans können hier einige Nächte verbringen und so die Qualität der Farben, Architektur und Details unmittelbar auf sich wirken lassen.
Katrin Lesser und Ben Buschfeld schildern die Idee und Entstehung ihres für seine sorgsame Restaurierung mit dem Europäischen und dem Berliner Denkmalpreis ausgezeichneten „mietbaren Museums“ und zeichnen anhand von 60 Details der „getauteten“ Ausstattung ein lebendiges Panorama der Epoche.
Ende der 1960er-Jahre schien dem Schriftsteller Günter de Bruyn (1926–2020) die Region um Görsdorf/Beeskow – die er das Abseits nannte – ein geeigneter „Unterschlupf“ zu sein, um sich aus der „DDR-Welt“ zurückzuziehen: „Ich war, dachte ich, in die Emigration gegangen, ohne das Land, das mich hielt, verlassen zu haben. Dem Staat war ich auf seinem eignen Territorium entflohen.“Nicht nur in seinem autobiografischen Lebensbericht Vierzig Jahre (1996) begegnet man jenem Landstrich, der de Bruyn fünf Jahrzehnte lang Arbeits- und Lebensrefugium war. Bereits in seiner 1978 erschienenen Erzählung Märkische Forschungen sowie in den Romanen Neue Herrlichkeit (1985) und Der neunzigste Geburtstag. Ein ländliches Idyll (2018) ist das märkische „Abseits“ der Raum, in dem der Autor die Handlungen verortet.
Das Verb „verstecken“ gestattet zwei Perspektiven: Wer versteckt
sich? Wer gewährt Versteck? Verstecken ist kein Kinderspiel
für die, die sich dazu genötigt sehen. Wer sich verbirgt,
auf Dauer oder nur für den Moment, verhält sich gegen eine
von Staat oder Gesellschaft aufgestellte Norm, weil man ihr
nicht folgen mag oder nicht kann.In einer Metropole wie Berlin jemanden oder sich zu verbergen
ist aussichtsreicher als in einer kleinen Gemeinde, in
der die soziale Kontrolle unmittelbarer wirkt. Eine Stadt von
der Größe und Unordnung Berlins bietet eine breitere Auswahl
geeigneter Zufluchtsorte: Schuppen, Keller, Dachböden,
Zimmer, Gartenlauben oder sogar Wohnungen. Hier können „Menschen in der Menge verschwinden“, wie eine widerständige
Helferin der NS-Zeit, Ilse Vogel, es ausdrückte. Zumal in
einer Stadt wie Berlin, wo – das bemerkte bereits Friedrich II.
– „unruhige, querulierende Einwohner“ leben, die so schwer
zu regieren sind. Entsprechend ausgeprägt ist die Bereitschaft,
Nonkonformisten in Not Zuflucht zu gewähren, sei es aus
Nächstenliebe, Barmherzigkeit, Mitgefühl, seien die Helfer
Genossen, Sympathisantinnen, Gleichdenkende, Mitstreiterinnen,
Kolleginnen, Freunde und deren Freunde.Andreas Hoffmann wirft mit seinem Buch einen neuen,
bisher unbekannten Blick auf Berlin. Er begibt sich in dreißig
spannenden Episoden auf die Suche nach den Versteckten der
letzten 700 Jahre und ihrer Helfer in dieser verrückt resilienten
Stadt und trifft dabei auf politisch und religiös Verfolgte,
bedrohte Frauen, Konspirative, Gauner, einen späteren Nobelpreisträger
und nicht zuletzt einen zukünftigen Kaiser.
„Es ist ein schönes Haus, und die Landschaft ist wunderschön.“
Peter Hacks, 1972„Gutes gibt’s auch: Wir haben wieder ein Haus gefunden“, schreibt Peter Hacks am 20. Februar 1972 im letzten Brief an seine Mutter Elly, die eine Woche später stirbt und deshalb nicht mehr erfährt, dass es mit dem „Fenne“ genannten Landhaus schließlich klappt: „Aber wie gesagt: prahlen will ich erst, wenn alles wirklich unterschrieben ist.“ Das geschieht 1973, als Hacks die alte Ziegelei auf freiem Feld zwischen Mittenwalde und Groß Machnow pachtet. Damit geht eine jahrelange Suche nach einem geeigneten Landsitz für den eigenen Entwurf vom Dichterleben zu Ende. 1974 verbringen Hacks und Anna Elisabeth Wiede den ersten Sommer auf dem Land, die Umbauarbeiten am Gebäudeensemble dauern bis 1977 und kosten vermutlich eine Million Mark.Die Fenne dient Hacks und Wiede fortan nicht nur als Sommerhaus, in das von Mai bis September das dichterische wie gesellschaftliche Leben verlagert wird. Der eigenwillige Ort trägt viel zur Stilisierung von Hacks als elitäre Dichterfigur in der DDR bei. Schon 1981 übertreibt der Playboy die Ausmaße der Anlage, noch 2010 nennt die Zeit Hacks einen „Schlossherrn“. Matthias Dell erzählt von Peter Hacks die Geschichte der Fenne und ihres prominenten Bewohners.
„Diese ganze Berliner Angelegenheit ist ein so zartes Ding, ist mit letzter Kraft erhascht.“ Franz Kafka, 1923 Berlin war ein Sehnsuchtsort für den Prager Schriftsteller und Versicherungsangestellten Franz Kafka. Seit seinem ersten Besuch im Dezember 1910 träumte er von der Übersiedlung in die Spreemetropole. Berlin versprach das Eintauchen in einen modernen Lebensstil, den Anschluss an die literarische Avantgarde, die Lösung aus den Bindungen an Herkunft, Familie und Brotberuf. »Für mich hängt Berlin wirklich über Prag, wie der Himmel über der Erde«, schrieb Kafka an seine Verlobte Felice Bauer. Die berufstätige junge Frau, die im Büro einer Berliner Schallplattenfirma arbeitete, war die ideale Projektionsfläche für Kafkas Sehnsucht nach dem modernen Berlin. Das Heiratsprojekt scheiterte. Doch mit seiner letzten Freundin Dora Diamant verlebte der lungenkranke Kafka im Winter 1923/24 in Steglitz und Zehlendorf ein so abenteuerliches wie glückliches halbes Jahr. Hundert Jahre nach Kafkas Tod zeichnet Michael Bienert die Topografie von Kafkas realem und imaginärem Berlin nach, mit dem Fokus auf Orte, die aufzusuchen sich heute noch lohnt.
Mehrfach hielt sich der in Frankfurt an der Oder geborene
Heinrich von Kleist zwischen 1800 und 1811 in Berlin auf.
Die »stolze Königsstadt« (Kleist an Wilhelmine von Zenge)
betrat der 23-Jährige im August 1800 zunächst mit dem Ziel,
eine Anstellung zu finden. Vier Jahre später war es die Suche
nach einem Amt, die den bereits schriftstellerisch Tätigen
nach Berlin führte. Kleist nahm von Beginn an auch am kulturellen
und gesellschaftlichen Leben der Stadt teil, die sich
gerade zu einer lebendigen Metropole mit einer großstädtischen
Kultur herauszubilden begann. Sein letzter und längster
Aufenthalt stand ganz im Zeichen dieser Großstadtkultur, die
Kleist mit seinem Zeitschriftenprojekt, den Berliner Abendblättern,
aktiv mitgestaltete.Milena Rolka stellt Kleists Aufenthalte in Berlin zwischen
1800 und 1811 anhand des vorhandenen Quellenmaterials
dar und folgt den Spuren, die er in Berlin hinterlassen hat.
Wo verstecken sich Emil und die Detektive? Wo besucht Pünktchen ihren Freund Anton? Und wo geht Fabian mit einer Angestellten aus dem Wedding ins Bett? Erich Kästner hatte ganz konkrete Orte vor Augen, als er seine berühmten Berlin-Romane schrieb oder über die Berlin-Touristen reimte: „Sie stehen verstört am Potsdamer Platz/Und finden Berlin zu laut …“ Kästner ließ sich bei der Wahl der Roman-Schauplätze von der Nachbarschaft seiner Wohnung und der Schreiborte in den Cafés inspirieren, andere kannte er aus seiner Arbeit als Journalist und Theaterkritiker.Kästners Berlin führt entlang von rund 180 Fotos, Postkarten und Plänen, die zumeist noch nie mit Kästner in Verbindung gebracht wurden, mitten hinein ins quirlige Berlin des Autors und seiner Figuren. „Wer sich so auf die Spur begibt, trifft sicher irgendwo auf einen jungen Mann mit quietschgrüner Baskenmütze und kunstvoll drapiertem Kaschmirschal, wie er einer Gruppe lauschender Leute von Kästner in Berlin erzählt. Es ist Michael Bienert, Buchverfasser und Stadterklärer“, berichtete die Berliner Zeitung schon vor fünfzehn Jahren. Mit Kästners Berlin nimmt der Autor zahlreicher Berlin-Bücher seine Leser mit auf eine spannende Entdeckungsreise in die Literatur- und Kulturgeschichte der Zwanziger- und Dreißigerjahre.
Jürgen Enkemann wird mit dem Silvio Meier Preis 2024 ausgezeichnet!Am 02.07.2024 wurde im Jugend[widerstands]museum in der Rigaer Straße in Berlin-Friedrichshain zum 9. Mal durch das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg der Silvio Meier Preis verliehen. Er ist neben der Bezirksmedaille und dem Jugendengagementpreis der wichtigste Preis, den der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg vergibt.Kreuzberg steht seit Jahrzehnten synonym für Bohème, Gastarbeiter- und Aussteigerdomizil, Abrisspolitik und Hausbesetzungen, Krawalle am 1. Mai, Off-Kultur, zuletzt für Proteste gegen Immobilienspekulation und Verdrängung der Alteingesessenen aus ihren Kiezen.Jürgen Enkemann konzentriert sich in seiner materialreichen Darstellung auf Kreuzberg als das „andere Berlin“, auf die hier besonders ausgeprägte Alternativität und Protestkultur sowie den besonderen multikulturellen Mix von Bewohnerinnen und Bewohnern. Er schlägt einen Bogen von der Gründung des südlich des älteren Berlins gelegenen Stadtraums als eigenem Berliner Verwaltungsbezirk (1920) über die Herausbildung des alternativen Milieus und damit des „Mythos Kreuzberg“ in den 1960er-Jahren bis heute, wo Immobilienspekulation und Gentrifizierung gerade das alternative Milieu wieder vor neue Herausforderungen stellen.
100 Jahre Kreuzberg - der Band zum Jubiläum
Das Crowdfunding-Video zum Buch, März 2019
Jürgen Enkemann wird mit dem Silvio Meier Preis 2024 ausgezeichnet!
Am 02.07.2024 wurde im Jugend[widerstands]museum in der Rigaer Straße in Berlin-Friedrichshain zum 9. Mal durch das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg der Silvio Meier Preis verliehen. Er ist neben der Bezirksmedaille und dem Jugendengagementpreis der wichtigste Preis, den der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg vergibt.